Warum Arbeits- und Privatleben im Social Web kaum zu trennen sind

Geschrieben von am 23. Oktober 2010 in Kategorie Social Networks

Im Social Web sollte man streng zwischen beruflichen und privaten Kontakten unterscheiden, liest man immer wieder. Sich mit Arbeitskollegen auf Facebook nicht anzufreunden, hilft allerdings kaum gegen den Kontrollverlust bei unseren Daten. Wir müssen lernen, damit zu leben.

Mitte des Monats hat das Online-Karriereportal monster.de Ergebnisse zu einer Umfrage veröffentlicht, wie es die eigenen User mit der Trennung von beruflichen und privaten Kontakten in Sozialen Netzwerken halten. „Sind Sie in sozialen Netzwerken wie Facebook mit Ihren Arbeitskollegen befreundet?“, lautete die Frage. „Ja, ich bin mit Kollegen über Facebook in Kontakt“, antworten 27 Prozent der Nutzer aus Deutschland. „Ja, aber ich habe unterschiedliche Profil-Einstellungen“, sagten 12 Prozent. Eine deutliche Mehrheit von 61 Prozent entschied sich für „Nein, ich trenne strikt zwischen Arbeit und  Privatleben“ als Antwort.

„Das Internet vergisst nichts. Aus diesem Grund sollte man bedenken, welche Informationen man in sozialen Netzwerken preisgibt, schließlich ist die Zugriffsregelung nicht in allen Netzwerken transparent“, sagt Marcus Riecke, Geschäftsführer Central Europe bei Monster Worldwide. „Gerade der Austausch von Informationen über den Arbeitgeber sollte online nur mit Bedacht erfolgen. Viele Unternehmen haben aus diesem Grund Regelungen zum Umgang mit Social Media aufgestellt.“

Das ist relativ neutral gehalten, sehr oft wird zu einer strikten Trennung zwischen Freunden und beruflichen Kontakten beim Social Networking geraten. Letztlich geht es dabei immer darum, sein Privatleben lieber zu verstecken, weil man damit seiner Online-Reputation schaden kann, vor allem mit Blick auf die Jobsuche. Das ganze Internet wird dabei als digitale Bewerbungsmappe verstanden, in der einem jeder (vermeintliche) Fehltritt ewig anhaftet.

Das ist nicht nur sehr kurzsichtig, weil sich gerade aus der Preisgabe privater Informationen besondere Chancen ergeben. Eine wirksame Trennung zwischen beruflichen und privaten Daten ist weitgehend unmöglich. Wer Social Media aktiv nutzt, erleidet einen erheblichen Kontrollverlust über viele Informationen. Natürlich sollte ein Profil in Business-Netzwerken wie XING oder LinkedIn anders gestaltet werden als auf Facebook, meinVZ oder MySpace. Aber was denkt Ihr von jemandem, dessen Profile auf verschiedenen Plattformen den Eindruck erwecken, es handele sich um verschiedene Personen?

Der Rat, sich nicht mit Arbeitskollegen auf Facebook zu befreunden, greift schon deshalb zu kurz, weil freundschaftliche Beziehungen zu Kollegen nun wirklich nicht die Ausnahme sind. Sinnvoll ist nur, für verschiedene Arten von Kontakten verschiedene Listen mit gesonderten Privatsphäre-Einstellungen zu führen. Facebook spielt auch für das berufliche Social Networking eine Rolle, daran kommt man erst einmal kaum vorbei.

Das eigene Profil allein für seine direkten Kontakte freizugeben, was ich nicht für sinnvoll halte, ist eine Möglichkeit, einen gewissen Grad an Kontrolle zu behalten. Aber spätestens wenn man ein eigenes Blog betreibt und Twitter nutzt, bewegt man sich im öffentlichen digitalen Raum. Ob aktueller Chef oder Personalchef eines Unternehmens, bei dem man sich um eine neue Stelle bewirbt, jeder kann die dort gemachten Angaben einsehen. Die Impressumspflicht führt dazu, dass gerade die Betreiber privater Blogs Name und vollständige Adresse jedermann verfügbar machen müssen.

Das bedeutet gleichzeitig: Wer aus dem rein beruflichen Zusammenhang den Namen einer Person kennt, findet über (!) diesen Namen leicht die von dieser Person betriebenen Blogs. Außerdem lebt das Web 2.0 auch von der Verknüpfung verschiedener Dienste: Führt der Link im Twitter-Profil zum eigenen Blog, nützt es nichts, unter einem Pseudonym bzw. Fantasienamen zu twittern. Und auf Profilen von Sozialen Netzwerken nutzt man im Normalfall die Möglichkeit, Twitter, Blogs und einiges mehr einzubinden bzw. wenigstens zu verlinken. Das ist so gedacht!

Bei allen Online-Aktivitäten gilt natürlich, nicht dumm oder leichtsinnig zu sein und im Zweifel den „Oma-Test“ zu machen. Wir müssen uns aber daran gewöhnen, dass es die Privatsphäre von früher nicht mehr gibt. Ein paar Beispiele: Wer bei einer Schulaufführung in einem lächerlichen Kostüm auftritt, kann damit rechnen, dass Fotos oder Videos von der Veranstaltung lebenslang zu seiner Online-Reputation beitragen. Die Rechtschreibfehler aus einem privaten Blog zum Thema Katzen werden den Blogger noch Jahre später bei seinen Bewerbungsaktivitäten verfolgen. Möglicherweise wird seine Bewerbung auch deshalb aussortiert, weil der Personalverantwortliche keine Katzen mag.

Ein spontaner Tweet aus diesem Jahr über die Verleihung des Friedensnobelpreises an Liu Xiaobo beendet möglicherweise schon vorab die Karriere bei einem chinesischen Unternehmen. Wer eine eigene Website betreibt und irgendwo mit Kunden zu tun hat (zum Beispiel an der Kasse eines Supermarkts) und ein Namensschild trägt, sollte sich bewusst sein, dass alle Kunden wissen, wo er wohnt. Reicht der Name im Impressum alleine nicht aus, finden sich bestimmt irgendwelche weiteren Angaben, die ihn eindeutig indentifizierbar machen, etwa das Foto auf dem Twitter-Account, der auf dem Blog verlinkt ist. Wer für eine Metzgerei arbeitet und auf der Teamseite der Firmenwebsite zu finden ist (und sei es nur in der Buchhaltung), verschlechtert seine Dating-Chancen bei Vegetariern.

Ich könnte noch den ganzen Tag über weitere Beispiele aufführen und müsste dabei nicht einmal Themen wie Mitgliedschaft in irgendeiner politischen Partei ansprechen. Bestimmte Informationen über uns können wir vielleicht sogar auf Dauer verheimlichen, aber für den großen Rest gilt: Wir haben keine Kontrolle über unsere Daten. Wir müssen lernen, damit umzugehen. Letztlich ist das die ganz große Chance, uns so zu akzeptieren, wie wir sind, und andere Menschen ebenfalls so sein zu lassen, wie sie sind. Ohne ein sehr hohes Maß an Toleranz in der Gesellschaft wird die Zukunft schrecklich.

Toleranz ist das Eine, Gleichgültigkeit wäre etwas anderes. Was wir über andere Menschen wissen, beeinflusst unser Verhalten ihnen gegenüber. Geschlecht, Alter, Hautfarbe, Religion, Essgewohnheiten, Geburtsort, Musikgeschmack, Attraktivität, Urlaubsorte, Hobbys und vieles andere bestimmt mit darüber, was wir über einen Menschen denken und wie wir uns ihm gegenüber verhalten. Worauf es ankommt, ist, sich den eigenen Umgang damit bewusst zu machen. Aber so weit sind wir noch lange nicht. In Deutschland sorgt man sich vor allem um den Schutz der Privatsphäre von Hausfassaden.

Ist die Trennung von Beruflichem und Privatem im Social Web eine Illusion? Welche Konsequenzen können wir daraus ableiten?

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1 Comments For This Post

  1. Reise_Dankwart says:

    Sehr toller Post. Mein Urlaub wird im August auch schön entspannend werden. Ich fahre mit meinem Freund diesen Sommer an die Adria. Unser bester Urlaub war bis jetzt im Jahr 2010 in Tadschikistan, dieser war einfach märchenhaft. Viele Grüße

2 Trackbacks For This Post

  1. Jeder Dritte nutzt sein Privathandy beruflich | TechBanger.de says:

    […] vor zwei Jahren waren es erst 73 Prozent, ebenfalls schon ein hoher Wert. “Eine klare Trennung zwischen Arbeit und Privatleben gibt es für die meisten Berufstätigen nicht mehr”, stellte […]

  2. Vorsatz für das neue Jahr: Zurückhaltung bei Social Media | TechBanger.de says:

    […] Eure guten Vorsätze für 2012 schon formuliert? Ich habe da einen Vorschlag: Haltet Euch bei der privaten Social-Media-Nutzung zurück. Ihr werdet es sonst […]