The Long Tail – aktualisiert und erweitert

Geschrieben von am 21. März 2009 in Kategorie Meinung

Das Buch „The Long Tail – Nischenprodukte statt Massenmarkt“ von Chris Anderson ist bei dtv diesen Monat in einer aktualisierten und erweiterten Auflage erschienen. Das ist ein guter Anlass, dieses viel gelobte Werk zu empfehlen, denn es vermittelt einen sehr guten Eindruck davon, wie das Internet nicht nur die Wirtschaft, sondern darüber hinaus das Leben der Konsumenten verändert.

Dank des Internets erhalten die Konsumenten eine Produktvielfalt, die selbst die größten Geschäfte mit den allerlängsten Regalreihen in der „realen“ Welt nicht annährend bieten können. Die physische Welt ist insofern voller Beschränkungen, die online kaum noch eine Rolle spielen.

Solange Händlern nur eine begrenze Regalfläche und Sendern nur eine begrenzte Sendezeit zur Verfügung stand, war es für sie vernünftig, sich auf den Massenmarkt mit Bestsellern und Hits zu konzentrieren, denn nur dort, wo die Nachfrage relativ groß war, konnten sie Gewinne erzielen.

Den knappen Platz im Laden Produkten zu opfern, die nur extrem selten einen Käufer finden, funktioniert nicht. Online steht dagegen unendlich viel Regalfläche zur Verfügung, argumentiert Chris Anderson. Nischenprodukte, die nur selten gekauft werden, können im Internet auf einmal gewinnbringend vertrieben werden. Handelt es sich sogar noch um digitale Güter wie Downloads von Musikstücken, Filmen oder Büchern, können die Nischen noch spezieller werden, denn Lager- und Vervielfältigungskosten tendieren dann gegen Null.

Aber lohnt es sich denn, Produkte anzubieten, von denen jedes vielleicht nur einmal im Jahr verkauft wird? Oh ja, es lohnt sich und es ist möglich, damit sehr viel Geld zu verdienen. Die unzähligen Nischenprodukte können sogar mehr Profit bringen als der Massenmarkt, weil es so viele sind und die Kosten so stark gesunken sind, die Rentabiltätsgrenze sich also stark verschoben hat. Die Wünsche der Konsumenten waren schon immer sehr unterschiedlich, sie konnten nur nicht befriedigt werden.

Den Schwerpunkt seiner Betrachtungen legt der Autor zwar auf die Unterhaltungsindustrie, will das Phänonem des „Long Tail“ aber nicht darauf beschränkt wissen. Dienstleister und industrielle Hersteller seien von der Nischenrevolution ebenfalls betroffen. In einem eigenen Kapitel schildert er dies anhand der Firmen eBay, KitchenAid, Lego, Salesforce.com und Google.

An die Stelle von Knappheit tritt Überfluss mit bislang unvorstellbaren Wahlmöglichkeiten. Hits werde es zwar weiterhin geben, doch sie werden kleiner und dominieren den Markt nicht mehr, prognostiziert Chris Anderson, der übrigens Chefredakteur von WIRED ist. Das wird unsere auf Hits, Blockbuster, Bestseller usw. ausgerichtete Kultur verändern.

Seit „The Long Tail“ in den USA im Jahr 2006 das erste Mal erschien, hat sich das Internet stark weiterentwickelt. Damit wirkt es heute wohl weniger visionär, aber umso überzeugender, weil die vom Autor beschriebenen Entwicklungen inzwischen weiter vorangeschritten sind.

Obwohl es gut geschrieben ist, erfordert die Lektüre des Buchs eine gewisse Konzentration und ein Grundverständnis von Internet und Web 2.0. Es bereitet nicht nur auf „Das Geschäft der Zukunft“ vor, wie es als zweiter Untertitel auf dem Cover steht. Spannend ist gerade, den Entwicklungen des Phänomens des „Long Tail“ vom 19. Jahrhundert bis zur Zeit des Web 2.0 nachzuspüren.

Dem Buch merkt man auf positive Weise die umfangreiche Recherche des Autors an. Chris Anderson vermittelt die komplexe Materie nicht zuletzt durch die vielen anschaulichen Beispiele so überzeugend. Am Ende versteht man neben dem Internet vor allem den Bereich der Medien ein ganzes Stück besser. Eine wirklich erhellende Lektüre!

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2 Comments For This Post

  1. Pit says:

    Toller Beitrag, wollte den Vorgänger schon immer einmal lesen. Aber irgendwie fehlt mir einfach die Zeit.

  2. Oliver Springer says:

    Ja, im Grunde ist das Buch der Nachfolger. Im Original ist das Buch als „The Longer Tail“ erschienen, bei uns blieb der Titel „The Long Tail“. Allerdings ist es im Grunde „nur“ ein Update.

    Insofern: Wer das Buch damals nicht gelesen hat, bekommt jetzt eine aktuellere Version. Noch dazu als günstiges Taschenbuch.

9 Trackbacks For This Post

  1. ExecTweets: Geschäftsmodell mit positiven Nebenwirkungen | TechBanger.de says:

    […] ist ein schönes Beispiel für die Art von Filtern, von denen Chris Anderson in seinem Bestseller “The Long Tail” spricht, die erforderlich sind, um in der unüberschaubaren Masse an Informationen das zu finden, […]

  2. Nachrichtenagentur AP will sich verstärkt gegen Content-Klau wehren | TechBanger.de says:

    […] kommentieren und den Originalartikel verlinken. Sie und viele andere Web 2.0 Services wirken als wichtige Filter, um aus der unvorstellbaren Informationsflut des Internets die persönlich relevanten Inhalte […]

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    […] sehr ausführlich diese Entwicklungen. Wer mehr über dieses Buch erfahren möchte, liest am besten meine Buchbesprechung auf dem Web 2.0 Blog TechBanger.de, für das ich zweimal wöchentlich einen Artikel […]