Internet auf dem Handy kommt in Deutschland nur langsam voran

Geschrieben von am 15. August 2009 in Kategorie Web 2.0

Gleich mehrere Befragungen zeigen diese Woche auf, dass Mobiltelefone zwar für immer mehr Aktivitäten, die über das Telefonieren hinausgehen, genutzt werden, aber Internet auf dem Handy noch längst nicht zur Selbstverständlichkeit geworden ist. Die verschiedenen Nutzergruppen unterscheiden sich in ihren Nutzungsgewohnheiten allerdings stark.

Die mobile Internetnutzung auf Notebooks und Netbooks ist inzwischen zu attraktiven Konditionen möglich, doch Internet und Handy erscheinen aktuell noch weit davon entfernt zu sein, gemeinsam eine feste Größe zu bilden. Je nach Alter und Geschlecht der Handybesitzer wird der Internetzugriff mit dem Handy unterschiedlich gut angenommen. Überhaupt sind die Unterschiede zwischen den Geschlechtern sowie den verschiedenen Altersgruppen enorm.

„Fast jeder zweite Mann (40%) begeistert sich inzwischen für das mobile Internet und die Navigation per Handy. Emails auf dem Handy – Alltag in Deutschland, ein klarer Trend zu mobilen Datendiensten. Ganz anders hingegen das weibliche Geschlecht: Mobile Daten interessieren nur jede sechste Frau. Das weibliche Geschlecht betätigt lieber den Auslöser der praktischen Handy-Fotokamera (82%) oder entspannt bei guter Musik aus dem MP3-Player (43%) im Mobiltelefon. Wohl auch der Grund, warum Frauen große Speicher (41%) im mobilen Begleiter bevorzugen – er bietet viel Platz für Fotos oder Songs“, verkündete die E-Plus-Gruppe gestern in einer Pressemitteilung.

Dabei bezieht man sich bei E-Plus auf eine gemeinsame Internet-Umfrage mit handelsblatt.com aus dem Frühjahr. Wie repräsentativ diese Befragung war, geht aus dem Text leider nicht hervor. Insofern passen die gewollt locker klingenden Formulierungen schon: „Bei jedem dritten Mann und jeder dritten Frau gelten darüber hinaus robuste Gehäuse und eine universelle USB-Schnittstelle für die Verbindung mit dem Computer als wichtiges Kaufkriterium. Kaum Beachtung finden dagegen zusätzliche Ausstattungen wie Radio (19%) und Videoplayer (16%), bei Frauen und Männern gleichermaßen.

Große Unterschiede zeigen Männer und Frauen, wenn es um Unterhaltung geht. Spiele und vorprogrammierte Klingeltöne auf dem Mobiltelefon können beim ansonsten als technikverliebt geltenden harten Geschlecht kaum Interesse wecken. Dagegen hält fast jede dritte Frau kleine Spiele auf dem Handy und coole Klingeltöne für ein wichtiges Feature.“

Der Wert von 40 % Begeisterung für mobiles Internet und Navigation auf dem Mobiltelefon erscheint mir zwar unrealistisch hoch. Gelingt es dem Mobilfunkanbieter, seine Doppel-Flatrates, wie es sie bei der Marke BASE für Telefonieren und Internetnutzung (bei allen technischen Einschränkungen im E-Plus-Netz) zu interessanten Preisen seit kurzem gibt, bekannt zu machen, wird sich das Interesse aber bestimmt erhöhen.

Der Preis für die Datenübertragung und die nicht unbegründete Angst vor Schock-Rechnungen für die Nutzung des Internets über das Handy lässt noch zu viele Handynutzer vor einem Gang ins Netz zurückschrecken. Bloß knapp jeder vierte Befragte wählt sich ins Internet ein, um mit dem Handy Websites zu besuchen und ähnliche Dienste zu nutzen. E-Mails auf dem Handy sind mit dem Wert von 32,4 % schon ein gutes Stück weiter, wie die aktuelle,  durch die Hamburger Marktforscher von Fittkau & Maaß Consulting durchgeführte W3B-Studie »Das mobile Internet« belegt.

Es sei zu teuer (71,1 %) und zu unkomfortabel (44,4 %) nannten die Nichtnutzer (die ein entsprechend ausgestattetes Gerät besitzen) als Hauptgründe, nicht mobil online zu gehen. Bei den Besitzern von Smartphones sieht es jedoch schon ganz anders aus: Mehr als ein Drittel geht sogar täglich mit seinem Telefon online. Neben dem höheren Bedienkomfort der Smartphones spielt hierbei das höhere Einkommen dieser Telefonbesitzer eine Rolle.

Andere Funktionen wie das Fotografieren oder das Anhören von Musik mit dem Handy verursachen keine laufenden Kosten bzw. bieten wie der stark genutzte SMS-Versand hohe Kostentransparenz. Unter diesem Blickwinkel lassen sich die Ergebnisse einer repräsentativen Studie von Techconsult im Auftrag des Hightech-Verbands BITKOM deuten. „Das Handy ersetzt mit seinen vielen Funktionen zunehmend Spezialgeräte wie Digitalkamera oder MP3-Player“, wird BITKOM-Präsidiumsmitglied Friedrich Joussen in einer Presseinformation von Mitte der Woche zitiert. „Das Handy wird zum Multimedia-Instrument.“ Aktuelle Handys mit großen Displays und großen Bedienoberflächen würden zusammen mit gesunkenen Preisen für die Datenübertragung diesen Trend unterstützen.

Die Zusatzfunktionen werden im Vergleich zum Vorjahr deutlich stärker genutzt, informiert der BITKOM: „Mittlerweile verschicken 78 Prozent aller Mobiltelefonbesitzer SMS, vor einem Jahr waren es noch 55 Prozent. Fast 48 Prozent fotografieren mit ihrem Handy (2008: 40 Prozent), knapp 27 Prozent hören Musik über ihr Mobiltelefon (2008: 20 Prozent). Auch eher geschäftliche Anwendungen werden stark genutzt: Jeder sechste Handybesitzer synchronisiert seine Termine oder Kontakte mit dem Handy. Jeder Siebte ruft seine E-Mails ab oder surft im Netz.“

Das deutet darauf hin, dass die Menschen in Deutschland zusätzlichen Arten der Nutzung grundsätzlich aufgeschlossen gegenüberstehen, wobei der Sprung bei SMS schon irritierend hoch ist zum jetzigen Zeitpunkt. Die Befragung im Auftrag des BITKOM zeigt ebenfalls Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen, jüngeren und älteren Handybesitzern auf: „Generell nutzen Männer die technischen Möglichkeiten des Mobiltelefons umfassender als Frauen. Bei den meisten Funktionen ist der Nutzeranteil bei den Männern ungefähr doppelt so hoch. Beispielsweise schauen 24 Prozent der  männlichen Nutzer Videos auf ihrem Handy, hingegen nur 13 Prozent der weiblichen Handybesitzer. 19 Prozent der Männer mit Handy rufen E-Mails mit dem Mobiltelefon ab, bei den Frauen sind es nur 8 Prozent. Gleichermaßen beliebt bei Frauen und Männern sind hingegen das Verschicken von SMS und MMS sowie das Fotografieren – insbesondere bei den Jüngeren. So senden beispielsweise alle befragten Mädchen und jungen Frauen zwischen 10 und 24 Jahren Textnachrichten mit dem Handy. Bei den Jungen dieser Altersgruppe sind es 98 Prozent. Bei den 10 bis 17-Jährigen sind zudem die audiovisuellen Anwendungen sehr beliebt: 78 Prozent der Jungen hören Musik (Mädchen: 71 Prozent), 74 Prozent schauen Videos (Mädchen: 41 Prozent).“

Die Mobilfunkbetreiber wird freuen, wie hoch die Akzeptanz des vergleichsweise kostspieligen SMS-Versands ist. Davon, dass Instant Messaging Services oder Twitter diesen Umsatzbringer bedrohen würden, kann aktuell wohl keine Rede sein.

Zu den Unterschieden zwischen den Generationen sagt BITKOM-Mann Joussen: „Für die meisten älteren Menschen war das Handy bislang vor allem ein Telefon. Mittlerweile nutzen schon mehr als die Hälfte der Handybesitzer über 60 Jahre mindestens eine zusätzliche Funktion. Das zeigt einen klaren Trend über alle Altersgruppen. Die aktive Nutzung von Services und zusätzlichen Funktionen und das Einbringen eigener Inhalte in das Netz steigt deutlich.“ Jeder zweite Mann sowie mehr als jede dritte Frau im Alter über 60  verschicken SMS.

Für die Zukunft der Internetnutzung mittels Handy heißt das meiner Meinung nach, dass es zwar Nutzergruppen gibt, für die niedrigere Preise für die Datenübertragung kein Argument wären, aber andererseits in wenigen Jahren für die Mehrheit der Handybesitzer das Internet auf dem Handy im Alltag dazugehören könnte. Dafür braucht es mehr als bloß preiswertere Datentarife. Transparenz, Einfachheit und Sicherheit hinsichtlich der anfallenden Kosten sind unabdingbar. Fassen die Verbraucher auf diese Weise Vertrauen, werden sie durchaus bereit sein, Geld für den Zugang ins Internet zu bezahlen. Das mobile Internet eröffnet sehr viele spannende Möglichkeiten, auf die kaum ein Nutzer noch wird verzichten wollen.

Woran hakt es Eurer Meinung nach, dass mit dem Handy in Deutschland nur sehr zurückhaltend der Weg ins Internet gegangen wird? Und was hindert Euch gegebenenfalls persönlich daran?

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