Mit Trennung von Online und Print aus der Krise?

Geschrieben von am 17. Juni 2009 in Kategorie Web 2.0

Das Newsroom-Konzept, dass durch die Bündelung von redaktionellen Ressourcen sowohl als Kostenbremse auch Chance für mehr Qualität in der journalistischen Arbeit hochgejubelt wurde, könnte schon nicht mehr im Trend liegen. Print und Online sollten stattdessen wieder mehr auf Distanz gehen, nennt news aktuell ein Fazit beim Branchentreff media coffee.

Die dpa-Tochter news aktuell stellte ihre media coffee-Veranstaltungsreihe unter das Motto „Gewinner und Auslaufmodelle – Wer profitiert von der Medienkrise?“. Gekommen waren zu Wochenbeginn diesmal ca. 250 Journalisten und PR-Fachleute zum Event im Haus der Bayerischen Wirtschaft.

„Meiner Meinung nach gehören Online und Print weiterhin getrennt“, überraschte Verleger Dr. Dirk Ippen, Chef des Münchener Zeitungs-Verlags. Die beiden Bereiche würden von der Zusammenlegung kaum profitieren, da die Arbeitsweisen der jeweiligen Redakteure sehr verschieden seien. Fortlaufende redaktionelle Begleitung und Geschwindigkeit seien wesentlich für den Onlinejournalismus, demgegenüber stünden Gewichtung und Analyse beim Printjournalismus im Mittelpunkt der Arbeit. In diese Richtung argumentierten auch Chefredakteur Hans Werner Kilz von der Süddeutschen Zeitung und Markus Peichl, Leiter der LeadAcademy.

Ippen sieht Chancen zu wirtschaftlicherer Arbeit in den Zeitungsverlagen: „Ich behaupte, dass alle Verlage in Deutschland noch viel Potenzial haben, ihre Produktionsabläufe schlanker zu gestalten.“ Dabei schwebt ihm allerdings nicht vor, in den Redaktionen zu kürzen. „Wir brauchen mehr denn je Qualitätsjournalismus.“

Hans Werner Kilz, Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung, kam auf Änderungen des Geschäftsmodells zu sprechen: „Die Vertriebserlöse sind in diesem Jahr wahrscheinlich erstmals höher als die Anzeigenerlöse.“ Die Werbekrise hat ihre Spuren hinterlassen. Kilz hinterfragte das System der Freiexemplare: „Bord- oder Hotelexemplare sind teuer, das kostet letztendlich nur Geld. Abo und Einzelverkauf dagegen steigen noch bei der Süddeutschen.“ Er gab sich optimistisch: „Sterbende Regionalzeitungen hat es in Deutschland immer gegeben. Und die Vielfalt wird auch in Zukunft weiter zurückgehen. Aber Journalismus bleibt in jedem Fall ein Geschäftsmodell – ob auf Papier oder nicht.“

Deutliche Kritik an der Medienbranche kam von Markus Peichl, Leiter der einflussreichen LeadAcademy, die jährlich die innovativsten Objekte aus Print und Online prämiert: „Wenn man schon vor sechs oder sieben Jahren eingegriffen hätte, dann wäre die Branche jetzt besser gegen die Krise gewappnet.“ Eine Fixierung auf Klickzahlen und Auflagenhöhe halte er für falsch: „Ich bin der Meinung, dass ein grundlegend neues Verhältnis zwischen Verlag und Anzeigenkunde notwendig ist. Wir brauchen ein neues Instrumentarium und neue Bewertungskriterien, vielleicht eher so etwas wie den ‚emotional value‘ einer Zeitschrift.“

Konkrete Konzepte für den weiteren Erfolg der Medienbranche allerdings lägen nicht vor. Insofern wirkt das, was er sagt, etwas abenteuerlich: „Wir müssen die Quadratur des Preises hinkriegen, um diese Branche zu retten: Mit weniger Geld mehr Qualität zu produzieren. Ich sehe heute noch keine Antworten darauf.“

Wolfgang Blau, Chefredakteur von ZEIT ONLINE und tagesspiegel.de, scheint die Zukunft des Journalismus eindeutig im Internet zu sehen: „Das Konzept der Zeitung stammt aus dem Industriezeitalter. Ein gemeinsames Produkt für alle – egal ob jung oder alt. Das Internet dagegen gibt uns unglaubliche Möglichkeiten der Ausdifferenzierung.“

Dafür müssten sich allerdings die Journalisten ändern. Das würde nur mit einem Bewusstseinswandel funktionieren: „Einer der wichtigsten Schritte für Journalisten ist es, das eigene Rollenverständnis in Frage zu stellen. Viel mehr Moderator sein, mit dem Leser auf Augenhöhe diskutieren. Ich glaube wir haben heute schon fast eine verlorene Generation.“ Dem Spardruck der Krise kann Blau daher Positives abgewinnen: „Vielleicht ist diese Krise sogar sinnvoll, weil sie einen notwendigen Prozess beschleunigt“, gibt er zu bedenken. Neues Geschäftsmodell in Sicht oder nicht, den Journalismus sieht er nicht in Gefahr: „Es gibt keine bessere Zeit, Journalist zu werden als heute. Es gibt so viele fantastische neue Möglichkeiten.“ Als Onliner hat Wolfgang Blau natürlich eine andere Perspektive.

Insgesamt scheint man die Zukunft der Zeitung weiter auf gedrucktem Papier zu sehen, nicht nur weil es mit Paid Content noch nicht so klappen will, sondern weil man wie Dr. Dirk Ippen große Vorteile des gedruckten Mediums sieht. Im Video zum media coffee gibt dieser sich sehr überzeugt von den Vorteilen und verweist auf die Nutzungsgewohnheiten der Leser. Andererseits wird er, beispielsweise bei meedia.de, mit den Worten zitiert:“Print hat keine Krise, denn Krise heißt, dass es wieder besser wird – und daran glaube ich nicht“.

Also wie lange werden die Nutzungsgewohnheiten Print noch Vorteile verschaffen, besonders da junge Menschen längst nicht mehr begeisterte Zeitungsleser sind? Medienmogul Rupert Murdoch von News Corp gibt gedruckten Zeitungen nur noch 10 bis 20 Jahre, blickt aber ebenfalls optimistisch in die (digitale) Zukunft des Mediums. Und glaubt an Bezahlinhalte. Sehr lesenswert in diesem Zusammenhang ist der anspruchsvolle Blogpost von Andreas Göldi auf netzwertig.com, der die Frage, was die Newsmedien der Zukunft kosten werden, sachlich und gut durchdacht beleuchtet.

Mit Blick auf die derzeitige Quersubventionierung von Online durch Print, die die ganzen Gratisangebote  von Nachrichten im Internet überhaupt nur ermöglicht, argumentiert er: „Wir erleben im Moment eine Phase in der Entwicklung der Newsmedien, die mit einer tragfähigen langfristigen Situation nicht viel zu tun hat. Die Zeiten des Überangebots an kostenloser Information werden früher oder später unweigerlich zu Ende gehen.“

Bei thestrategyweb.com fragt sich Martin Meyer-Gossner, wieso die großen Verlage nicht endlich mit einer gemeinsamen Vertriebslösung für den Onlinebereich kommen und nennt sie „prind = print und blind“.

Ja, wirklich, wo bleibt das Modell für Paid Content der großen deutschen Verlage? Eine Trennung von Print und Online, damit die Printredakteure in Ruhe arbeiten können, scheint mir absolut nicht zukunftsorientiert zu sein. Werden die Zeitungen ihren Weg in die Zukunft finden oder untergehen?

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2 Comments For This Post

  1. Martin Meyer-Gossner says:

    Gute Zusammenfassung. Bin beruhigt, daß noch ein paar mehr Leute sich dieselben Fragen zur Medienbranche stellen… Zeitungen werden sicherlich nicht komplett aussterben und ihre Zukunft finden, aber die Frage ist, wie sich die Verlage zukünftig finanzieren – und ob Online Print oder Print Online finanziert.

    Bitte noch die URL meines Blogs in thestrategyweb.com umbenennen… Danke.

    Cheers for the shout…!

  2. Oliver Springer says:

    @Martin: Ooops, ich hatte Deinen Domainnamen verdreht…hab es korrigiert.

    Ja, diese Fragen finde ich sehr spannend. Qualitätsjournalismus gehört zu den Fundamenten unserer Gesellschaft.

    Immerhin wird das ganze Thema jetzt wahrgenommen, ignoriert man den Wandel nicht mehr. Die richtigen Fragen zu stellen, ist schon mal ein großer Fortschritt. Ohne Krise wäre der Veränderungsdruck vermutlich nicht einmal dafür vorhanden.

    Schleichende Veränderungen lassen sich zudem besser verdrängen, man arrangiert sich mit ihnen. Insofern hat die Krise klar ihre guten Seiten.