News-Aggregatoren auf dem falschen Weg?

Geschrieben von am 19. September 2009 in Kategorie Web 2.0

Das Thema News-Aggregatoren bekam diese Woche gleich zweimal Aufmerksamkeit. Google beginnt den öffentlichen Test von Fast Flip und in Deutschland bringt Tomorrow Focus das neue Nachrichtenportal  nachrichten.de als Beta-Version an den Start.

Fast Flip soll das schnelle Blättern im Web ermöglichen. So wie in einem Magazin lassen sich in der Tat sehr schnell die Webseiten „blättern“. Die Artikel sieht der User als Grafiken, dabei blendet Google selbst Werbung ein, bei der die Erlöse mit den jeweiligen Publikationen geteilt werden. Letztlich handelt es sich aber nur um Teaser, den ganzen Artikel gibt es erst bei Besuch der Original-Website. Aus modernen Webseiten mit vielen Funktionen werden einfache Grafiken, die nichts können. Das soll die Zukunft der News im Netz sein?

Der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) kritisiert in einer Pressemitteilung zwar „das Ausblenden der Verlagswerbung“, sieht den Ansatz insgesamt jedoch positiv: „So langsam versteht man bei Google die Bedenken der Verlage in aller Welt, die Milliarden ausgeben für das Herstellen von Inhalten und die mit der Vermarktung dieser Inhalte in der bisherigen Art durch Google und andere gewerbliche Anbieter nicht einverstanden sind. Wir sehen Google durchaus als Partner auch in der Zukunft. Das setzt aber zwingend voraus, dass die finanziellen Strukturen der Vermarktung nicht einseitig marktbeherrschend von Google festgelegt, sondern in einem Fair Share mit den Inhalte-Anbietern erreicht werden“, äußert sich Wolfgang Fürstner, Geschäftsführer des VDZ.

Das von Tomorrow Focus betriebene nachrichten.de wirkt gegen Fast Flip von Google sehr viel konservativer. Es soll eine Alternative zu Google News sein, bei der die Urheber im Gegenzug für die Nutzung der Inhalte (weitgehend ebenfalls Teaser) an den Einnahmen beteiligt werden. Nach dem großen Wurf sieht es optisch nicht aus. Das Portal wirkt eher wie eine normale News Website, durchaus nett, aber nicht frisch. Das News-Portal kann allerdings weit mehr, als man ihm auf den ersten Blick ansieht. Im Gegensatz zum Konkurrenzen Google News finden weit weniger Inhalte auf einer Bildschirmseite Platz. Außerdem wird noch Platz für Werbung benötigt. Google News dagegen ist ja immer noch werbefrei, was die Kritik, Google verdiene unrechtmäßig an den Inhalten der Urheber noch nie besonders überzeugend wirken ließ.

Darüber, wie gelungen nachrichten.de ist oder nicht ist, haben andere schon klug geschrieben. Uwe von www.alles2null.de haut richtig drauf, führt dabei allerdings gute Argumente für seine negative Bewertung an. Jürgen von yuccatree.de ist dagegen „ziemlich begeistert“. Er hat sich die Mühe gemacht, in einigen Screenshots mit zahlreichen Pfeilen und Anmerkungen die Funktionen des Portals hervorzuheben.

Meiner Meinung nach müsste etwas ganz anderes im Mittelpunkt der Betrachtung stehen: Wie kann man die Erfahrung für die User verbessern? Bei Google hat man richtig erkannt, dass ein komfortablerer Zugang zu den Nachrichten-Inhalten sinnvoll wäre. nachrichten.de ist aus meiner Sicht gerade ein sehr gutes Beispiel dafür, wie umständlich sich das Konsumieren von Nachrichten unter Verwendung von News-Aggregatoren noch gestaltet.

Der Ansatz von Fast Flip geht in die falsche Richtung: in die Vergangenheit. Selbst die meisten Digital Natives sind noch stark davon geprägt, gedruckte Medien durchzublättern. Dieses Prinzip ins Web übertragen zu wollen mit dem Hinweis, man würde beim Durchblättern eines Magazins nicht mehrere Sekunden warten wollen, bis man auf die nächste Seite gelangt, verkennt, wohin die Reise geht bzw. worin der Fortschritt der News-Aggregatoren liegt: Die Inhalte sind nicht mehr nur an eine Publikation gebunden. Der Nutzer muss nicht mehr einzelne Websites besuchen, um zu sehen, welche Angebote für ihn interessant sind. Die Personalisierung auf einer Portal-Website erspart ihm weitere Aktivität, auf Basis seiner Entscheidungen wird ihm gleich nur das gezeigt, was ihn interessiert.

Wer in kurzer Zeit eine Vielzahl von News sichten möchte, braucht gerade keine Grafiken, also keine sozusagen fotografierten Webseiten wie bei Google Flip, sondern sollte einen RSS-Reader nutzen oder sich eine personalisierte Startseite (z. B. bei pageflakes.com) zusammenstellen. Solche Lösungen sind weit flexibler, nicht nur mit Blick auf verwendbare Endgeräte. Über RSS können (im Interesse der Publisher!) die Inhalte an unzähligen Stellen eingebunden werden, ganz unkompliziert.

Der weit bessere Ansatz besteht darin, die Inhalte im Paket mit der Werbung zur Verfügung zu stellen, wie der Guardian es mit seiner API möchte. Ob Google oder der kleine Blogger von nebenan, jeder könnte die Inhalte vollständig seinen Besuchern anbieten, statt nur Teaser zu bieten. Es wäre doch viel bequemer, nicht erst zahlreiche Websites besuchen zu müssen, um die interessanten Artikel lesen zu können! Statt wenigen Portalen nur Teaser zur Verfügung zu stellen und dafür einen Umsatzanteil zu erhalten, könnten die Inhalte an allen möglichen Orten verfügbar sein, anstatt sie auf einer einzigen Website einzusperren.

Jeder zusätzliche Distributor sollte willkommen sein, eventuell sogar einen Teil vom Umsatz erhalten. Das würde beispielsweise bedeuten, dass nicht Google seine Einnahmen mit den Zeitungen teilt, sondern Google von Zeitungsverlagen an deren Einnahmen beteiligt wird.

Das gilt nicht nur für Gratis-Inhalte. Paid Content darf man nicht verstecken, er muss dort präsent sein, wo die User sind. Paid Content auf Affiliate-Basis mit Gratis-Teasern, die auf tausenden von Websites integriert sind, würde eben nicht außerhalb des Blickfelds der Nutzer liegen. Die Betreiber der Websites hätten jeweils ein eigenes finanzielles Interesse daran, dass ihre Besucher sich für den Paid Content interessieren.

Findet Ihr ebenfalls, dass News-Aggregatoren in der jetzigen Form mit Teasern von gestern sind? Sollten sich die Produzenten der Inhalte von der Vorstellung lösen, Besucher auf ihre Websites bringen zu müssen?

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