Warum es fast egal ist, wie hoch der Verlust pro verkauftem Amazon Kindle Fire ist

Geschrieben von am 05. Oktober 2011 in Kategorie Meinung

In den letzten Tagen wurde im Netz viel darüber spekuliert, ob Amazon sein Media-Tablet kostendeckend verkaufen kann bzw. wie hoch der Verlust pro verkauftem Gerät ausfallen mag. Das sind natürlich interessante Rechnungen, aber letztlich kommt es darauf nicht an.

Ob es 10 Dollar oder 50 Dollar sind, die das Unternehmen zuschießen muss, ist fast egal. Ich bin überzeugt davon, dass Amazon sogar mit einem dreistelligen Betrag noch auf dem richtigen Weg wäre, denn der Konzern befindet sich in einer ausgesprochen guten Position. Es steht meiner Ansicht nach außer Frage, dass Amazon über den Verkauf von „typischen Tablet-Inhalten“ wie E-Books, Musik und Filmen die Anfangsverluste mehr als ausgleichen kann.

Chance im Wachstumsmarkt digitale Medieninhalte

Selbstverständlich liegen allein im Geschäft mit digitalen Medieninhalten große Chancen, hier werden wir in den kommenden Jahren großes Wachstum erleben, wir stehen ja noch ziemlich am Anfang. Die meisten Menschen lesen noch Zeitungen und Bücher, die auf Papier gedruckt sind. Sie hören analoges UKW-Radio und konsumieren Bewegtbildinhalte in erster Linie über TV-Sender (oft noch analog) zum Zeitpunkt der Ausstrahlung (also nicht zeitversetzt).

Mit dem billigen Kindle Fire erleichtert Amazon der breiten Masse den Einstieg in die regelmäßige Nutzung der digitalen Medienwelt. Apple sorgte in dieser Beziehung für einen Schub bei den Early Adopters und Gutverdienern, doch Amazon wird die breite Masse der Internetnutzer mit einer erschwinglichen Komplettlösung versorgen. Das verspricht für Amazon gute Geschäfte bei digitalen Medieninhalten und Apps.

Strategische Bedeutung des eigenen Tablets

Richtig spannend wird es jedoch, wenn man einen Level weiter denkt: Mit dem Kindle Fire kommt der Versandhändler seinen Kunden so nah wie nie zuvor. Die Nutzer dieses Tablets verlagern ihr Online-Leben zu einem Großteil ins Online-Kaufhaus, auch wenn sie nicht jeden Tag auf einen Einkaufsbummel aus sind. So gut wie jeder User des Kindle Fire wird sowieso schon ein Kundenkonto bei Amazon haben.

Tablets sind die idealen „Stöber-Maschinen“ für Online-Käufer und haben das Potenzial, die Bedeutung von gedruckten Werbeprospekten zu minimieren. Der Onlinehändler wird die User nicht dazu zwingen müssen, sich Waren im Shop anzusehen. Amazon nutzt also die Chance, noch weit stärker als bislang schon zu der (!) Adresse für den Einkauf im Internet zu werden.

Chance beim Verkauf physischer Waren

Filme, TV-Serien, Bücher und Musik gibt es auch bei iTunes, aber bei Amazon gibt es davon nicht nur eine besonders große Auswahl, die mit dem Apple-Angebot mindestens mithalten kann. Inzwischen existiert kaum noch eine Produktkategorie, die im Onlineshop von Amazon nicht vorhanden wäre. Campingausrüstung, Golfschläger, WC-Sitze, Duschkabinen, Gummistiefel, Staubsauger, Waschmaschinen und Bierzapfanlagen können zwar nicht digital direkt aus der Cloud auf das Tablet geladen werden. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass die User das, was sie brauchen, bei Amazon und nicht bei einem anderen Onlineshop bestellen, dürfte beim Einsatz des Fire vielfach größer sein als bei der Nutzung eines anderen mobilen Endgeräts. Zudem besteht die für den Onlinehändler die Chance, noch mehr Informationen als bisher über seine Kunden zu sammeln. Wie wäre es (lassen wir Datenschutzbedenken mal unbeachtet) mit Kaufempfehlungen auf Basis der mit dem Fire Silk Browser besuchten Websites?

Unter strategischen Gesichtspunkten ist die Entscheidung, das Tablet sehr günstig zu verkaufen, goldrichtig. Müssen sich konkurrierende Onlineshops damit vielleicht größere Sorgen machen als die Hersteller von Tablet-Computern?

Ähnliche Beiträge:

Tags : , , , , ,

2 Comments For This Post

  1. C. Hoffmann says:

    Ich habe seit einem Jahr ein Ipad und kaufe gut und gerne damit ein. Doch auf mehr als 100 bis
    150 EUR digitale Inhalte bin ich nicht gekommen. Ich habe mehrere Bücher eingekauft, sowie etliche Apps, darunter einiges für den Nachwuchs.

    Von dem Ergebnis war ich erstaunt, dachte es wäre mehr. Aber die ganzen schönen Apps kosten halt nix. Bei mehr als 3 EUR ist meist Schluss. Meine teuersten Produkte sind Bücher mit 15 EUR gewesen. Apple hat also 30 bis 50 EUR an mir digital verdient. Nicht viel für große Subventionen.

    Wenn es sich für Amazon rechnet, dann über Produkte wie Fernseher, Computer, Kleidung,….
    Man wird gespannt sein dürfen.

  2. Oliver Springer says:

    Da kommt es natürlich auch darauf an, wie lange so ein Gerät im Einsatz bleibt. Angenommen, Du behältst es zweieinhalb Jahre und verschenkst es dann innerhalb der Familie, wo es noch einmal zweieinhalb Jahre genutzt wird – und Inhalte gekauft werden. Dann ist der Spielraum schon nicht so klein.

    Zudem hat Apple ja auch seine Werbeplattform. Das sollte man berücksichtigen. An kostenlosen Apps mit Werbung kann Apple also mitverdienen.

1 Trackbacks For This Post

  1. Tablets – Gibt es einen Trend zum Zweitgerät? | TechBanger.de says:

    […] Geschäftsmodelle, bei denen mit der Hardware kaum oder gar kein Gewinn mehr erzielt wird, sondern auf andere Einnahmen wie dem Verkauft von Inhalten spekuliert wird, werden 2012 ebenfalls die Preise drücken. Als weiterer Faktor, der den Trend zum Zweit-Tablet begünstigt, wird die zunehmende Verbreitung dieser Geräteklasse im geschäftlichen Bereich genannt. Die Anforderungen von Business-Anwendern sind nicht deckungsgleich mit denen von Privatnutzern. Das sorgt gleichzeitig für eine größere Vielfalt an unterschiedlich ausgestatteten Geräten. […]