Macht Videostreaming Fernsehen überflüssig?

Geschrieben von am 20. November 2014 in Kategorie Web 2.0

In nächster Zeit wird Streaming das klassische TV-Programm nicht verdrängen, aber auf lange Sicht könnte das passieren. Wie eine aktuelle Umfrage zeigt, sehen sich drei von vier Deutschen Videos im Internet an. Wichtiger noch: Die Hälfte der Streaming-User sieht weniger fern.

Vor dem dem Welttag des Fernsehens am 21. November gibt es in den Medien einerseits eine Menge Berichte zur Bedeutung des Mediums, andere nehmen das zum Anlass, über das mehr oder weniger bald kommende Ende des linearen Fernsehens zu spekulieren. Beim Verband Privater Rundfunk und Telemedien e. V. (VPRT) gibt man sich optimistisch und verweist auf die weltweit starke Nutzung und die große wirtschaftliche Bedeutung der TV-Branche.

Die große Mehrheit sieht täglich fern

„Fernsehen bewegt die Welt. Jeden Tag sehen rund 5,5 Milliarden Menschen fern, das entspricht 75 Prozent der Weltbevölkerung. Eine unabhängige, vielfältige und wirtschaftlich tragfähige Fern-sehlandschaf hat einen unschätzbaren Wert für die Meinungsvielfalt und -freiheit und ist damit einer der Eckpfeiler für demokratische Gesellschaftsordnungen“, erklärt Annette Kümmel, ProSiebenSat.1 Media AG und Vorsitzende des Fachbereiches Fernsehen und Multimedia im VPRT.

Frank Giersberg, Leiter Marktentwicklung im VPRT: „In großen Teilen der Welt kommt dem Fernsehen auch eine besondere volkswirtschaftliche Relevanz zu. Weltweit erwirtschaftet die Branche über 300 Milliarden Euro und stimuliert ein Vielfaches dessen an Wertschöpfung bei vor- und nachgelagerten Branchen. Als Werbeträger stützt Fernsehen zudem die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit vieler Industrien in nationalen und internationalen Märkten.“

Nahezu drei von vier Onlinern streamen

Beim BITKOM hingegen sieht man die Zukunft der Bewegtbildinhalte eindeutig beim Streaming und präsentiert Daten aus einer frischen repräsentativen Umfrage als Beleg für bereits veränderte Sehgewohnheiten. Die Zahl von 40 Millionen Video-Streaming-Usern in Deutschland klingt erst einmal beeindruckend hoch, der Umfrage zufolge schauen sich 73 Prozent der Onliner Videos im Netz an.

Das sagt allerdings nichts darüber aus, ob es sich um Inhalte handelt, die ansonsten im linearen Fernsehen angeguckt würden (bzw. um ähnliche Inhalte). Wer während der Arbeitszeit am Bürocomputer Katzenvideos guckt und zu Hause nach Feierabend voll lange Vollerotik am PC konsumiert, setzt sich später zum Abendessen möglicherweise genauso lange vor den TV-Apparat wie früher.

Die weiteren Antworten der Videostreamimg-User zeigen dann aber schon eine gewisse Verdrängung. Der Aussage >>Ich setze mich grundsätzlich nicht unter Zeitdruck, zu bestimmten Sendungen rechtzeitig einzuschalten, da ich mir diese als Videostream anschauen kann<<, stimmten 59 Prozent der Teilnehmer zu, 38 Prozent stimmten nicht zu. Hier frage ich mich, wie viele User nicht zustimmten, weil die von ihnen präferierten Sendungen gar nicht auf Abruf erhältlich sind bzw. sie dafür extra Geld zahlen müssten.

Eher ernüchternd sind die lediglich 46 Prozent Zustimmung bei >>Ich habe schon einmal darauf verzichtet, mir eine Sendung zur Sendezeit anzuschauen, weil ich wusste, dass ich sie mir auch später als Videostream anschauen kann<<. Eine Mehrheit von 53 Prozent hat offensichtlich nicht ein einziges Mal so gehandelt.

Streaming zu Lasten des TV-Konsums

Immerhin 44 Prozent stimmten der Aussage >>Seitdem ich Videostreaming-Angebote im Internet nutze, schaue ich weniger Fernsehsendungen über das normale Fernsehen per Kabel, Satellit oder Antenne<< zu, 53 Prozent stimmten nicht zu. Der Aussage „Ich nutze Videostreamings auch gerne, um mir Live-Übertragungen anzuschauen<< stimmten 37 Prozent, 61 Prozent stimmten nicht zu. Das ist immerhin jeder dritte User!

Bei >>Ich nutze Videostreamings als Ersatz für klassiches Kabel-, Satelliten- oder Antennen-Fernsehen<< stimmte jeder dritte Befragte (33 Prozent) zu, 66 Prozent stimmten nicht zu. Bei >>Ich kann mir vorstellen, künftig nur noch Videostreamings zu nutzen und komplett auf das klassische, per Kabel und Satellit ausgestrahlte Standardfernsehen (linear) zu verzichten<< stimmten nur nur 18 Prozent zu, 76 Prozent stimmten nicht zu.

Feste Sendezeiten ohne Zukunft

Von ihren Nutzungsgewohnheiten rücken die Verbraucher nicht so schnell ab, aber: „Die kommende Zuschauergeneration wird kaum noch feste TV-Sendezeiten kennen“, sagt BITKOM-Experte Timm Hoffmann. „Über Mediatheken, Videoportale oder On-Demand-Angebote wird man sich sein eigenes TV-Programm im Internet zusammenstellen.“

Ich glaube, dass die heutige Zuschauergeneration den Wechsel vollziehen wird, wenn man es ihr leichter macht, die gewünschten Inhalte zu nutzen. Viele Menschen sind selbst mit der Bedienung einfacher technischer Geräte überfordert. Wer nicht einmal seinen Videorekorder programmieren kann, wird sich auf Lösungen wie das Streaming via Chromecast-Stick unter Einsatz eines Tablets als Steuergerät nicht einlassen.

Welche Rolle spielt Videostreaming für Euren Medienkonsum?

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